Frühlingsreiher

Im saftigen Hellgrün der wieder
wachsenden Wiese schreitet
ein Graureiher auf der Suche
nach Beute. Den Gräsern, die

schon bis zur Hälfte seiner Ständer
reichen, gelten seine Versuche,
wie nach einem Tageskalender
Insekten und Mäuse zu finden.

Doch später fliegt er mit den Winden
zur nächstgelegenen Moor-
landschaft, lässt sich dort nieder,
wo Wasser ist, und bereitet
sich langsam auf die Magie
der nächsten Jagdstunden vor –

Neudammerin
Die Jagd
Jahrbuch für Jagdkultur und Geschichte im ländlichen Raum
Nummer 04/2019 (Dezember)

Bild des Nordens

Ein starker Elch, vertraut
beim frischen Schöpfen mit allen
vier Läufen tief im Fluss.

Wie ein Eingeweihter,
der nichts mehr beweisen muss,
steht er da. Die Zeit verrinnt,
da Farben ihren Glanz vertauschen.

Begleitet von dem leisen Rauschen
der Bäume im Abendwind
zieht der Schaufler weiter
im Gewässer, ohne Laut,
nur Lichter, die widerhallen –

Neudammerin
Die Jagd
Jahrbuch für Jagdkultur und Geschichte im ländlichen Raum
Nummer 03/2018 (April 2019)

Ein schleichender Fuchs wird flüchtig,

Ein schleichender Fuchs wird flüchtig,
verlässt das Bild wie eine Kanone.
Die Nachtkerzen zittern, dann lassen
sie sich wieder vom Abendwind
streicheln, der zwischen den Zweigen
weht, als wäre nichts passiert.

Umsonst war sicher der Fuchs nicht süchtig
nach andren Feldern und ohne
Grund nicht verschwunden. Die blassen
Äste der hohen Birken sind
die einzigen Zeugen, sie schweigen
aber, frei und ungeniert –

Neudammerin
Die Jagd
Jahrbuch für Jagdkultur und Geschichte im ländlichen Raum
Nummer 03/2018 (April 2019)

Ein Sprung kurz vor 18 Uhr

Drei Stück Rehwild äsen in der Nähe
eines Waldes. Farben sehn wie trocken
aus, so blass wie Felsen. Nur der helle
Spiegel hebt sich ab vom ganzen Ton.

Langsam und geräuschlos ziehn die Rehe
jetzt, als wär’n sie aus der Not entflohn.
Abenddämmerung liegt auf der Schwelle,
in den Dörfern läuten bald die Glocken –

Neudammerin
Die Jagd
Jahrbuch für Jagdkultur und Geschichte im ländlichen Raum
Nummer 03/2018 (April 2019)

Zwei Einzelgänger im Winter

In hohen Fluchten kam der erste Reh-
bock aus der Dickung über den Weg und floh
auf den mit wenig Schnee bedeckten
Feldern steil hinunter zu dem kleinen See,
verhoffte kurz und trollte dann dem Wald
entgegen. Ganz spitze Stangen hatte er,
die höher als die Lauscher schienen,
es war, als würde sein Spiegel fliegen –

Nach etwa tausend Metern, wo
mächtige Eschen überwiegen,
zog ein zweiter Bock von der linken Seite her
vorbei an den vergessenen Bienen-
stöcken nahe einer versteckten
Lichtung. Oft warf er auf und wurde rege, sein
Hals war kurz, sein Körperbau gedrungen, bald
verschwand auch er im nächsten Hain –

Neudammerin
Die Jagd
Jahrbuch für Jagdkultur und Geschichte im ländlichen Raum
Nummer 02/2017 (Februar 2018)